Digitalisierung in der Ausbildung
Aus dem Spiel wird Ernst
23. Dezember 2024 agvs-upsa.ch – Die Digitalisierung und der Einsatz von IT im Berufsfachschulunterricht und in den überbetrieblichen Kursen gehören seit der Einführung des Bildungsplans 2018 zum Alltag für Berufslernende in den AGVS-Technikberufen. Mit einem neuen Ansatz will Marco Steiner den angehenden Berufsleuten das Thema Motorsport und Lernen am Objekt näherbringen. Das Bildungszentrum Emme in Burgdorf ist aktiv engagiert. Andreas Senger
Wie verändern sich die Vorspur- und Sturzwerte beim Ein- und Ausfedern? Auch dieser Sachverhalt wird anhand eines Fahrzeuges vermessen und bestimmt und hilft, die komplexen Diagramme konkret zu verstehen und abzuleiten, was Fahrwerksmodifikationen bewirken. Fotos: AGVS-Medien
Gamen ist heute bei Jugendlichen eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Berufslernende aus den drei technischen Berufen im Automobilgewerbe mögen Rennsport, Tuning, schnelle Autos und spielen oft gerne Rennsimulationen. Marco Steiner, ein auf zweitem Bildungsweg gelernter Automobilfachmann, danach als Kundendienstberater tätig und jetzt Gründer und Geschäftsführer von Marstone-Simracing und Vertriebspartner von TopSpeed-Simulatoren in der Schweiz, kennt die Ausgangslage. Er zeigte schon während seiner Lehrzeit grosses Interesse an den Zusammenhängen der verschiedenen Fahrzeugsysteme, um ein Auto im motorsportlichen Wettbewerb zu optimieren. In seiner Freizeit beschäftigt sich Steiner seit über 15 Jahren mit Motorsport, insbesondere der Driftsport gehört zu seinen Leidenschaften.
Die Verknüpfung von Rennsimulation und Ausbildung lag für Steiner auf der Hand. Die pädagogische, didaktische Umsetzung und die technischen Möglichkeiten, um Simulationen auch in der beruflichen Grundbildung sinnvoll einsetzen zu können, erwirkten zu Beginn einiges an Kopfzerbrechen. Am Bildungszentrum Emme (bzemme.ch) besuchte Steiner nicht nur die Berufsfachschule, sondern fand auch einen fruchtbaren Boden, seine Idee zusammen mit Fachlehrern umzusetzen und in einem Pilotkurs zu realisieren. Zusammen mit Jonas Baumgartner und Andreas Schranz wurden Berufslernende im vierten Lehrjahr Automobilmechatroniker in einem Freifachkurs in die Welt der Rennsimulation entführt.
Die Fahrmanöver können am Simulator ohne Unfallschäden umgesetzt werden. Dass der Spass nicht zu kurz kommt, fördert die Motivation zusätzlich und ist für Bildungsstätten ein wichtiges Argument, auf digitale Lehr- und Lernmittel zu setzen.
Nicht gamen, sondern «erfahren»
Wer jetzt denkt «Aha, sogar im Berufskundeunterricht wird gegamt», irrt sich: Der Ansatz der drei Protagonisten zielte in die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Konkret das Thema Fahrwerkstechnik, Modifikationen an Federung/Dämpfung und Lenkgeometrie zu vertiefen und danach gefahrlos am Rennsimulator auszutesten und entsprechende Lernfortschritte zu erzielen, war der Grundgedanke. Steiner lieferte nebst Hardund Software seine ganze Erfahrung im Bereich Rennsport. Baumgartner und Schranz als erfahrene Fachlehrer für Automobiltechnik und Referenten in der Automobildiagnostiker- Ausbildung, Kompetenzbereich P1 Fahrwerk, entwickelten den Theorieteil sowie die Praxisübungen an Modellen und Fahrzeugen, um Fahrwerksveränderungen zuerst statisch oder halbdynamisch und danach im Simulator auszuprobieren. Die Verknüpfung der Theorie und des Werkstattunterrichts ist geglückt: Das Feedback der Berufslernenden ist einstimmig positiv und für die Initianten Motivation, aktuell wiederum einen Kurs anzubieten. Der Erfolg gibt ihnen recht: Gleich zwei Mal wird der Kurs aktuell durchgeführt, weil die Anmeldezahlen und damit das Interesse derart gross sind. In der aktuellen Durchführung sind auch Lernende von der gibb Bern und dem idm Thun dabei und damit wird ein überregionaler Kurs gestartet.
Was ist möglich, wo sind Grenzen?
Die drei- und vierjährige Grundbildung des AGVS weist Leistungsziele im Bereich Fahrwerk und Lenkgeometrie sowohl in der Berufsfachschule wie auch im überbetrieblichen Kurs auf. Die Funktionsweise von Radaufhängungen, Federungs- und Dämpfungssystemen wird theoretisch behandelt und auch der Einfluss der Lenkgeometriewinkel wird vermittelt. Im praktischen Teil werden Fahrwerksanalysen durchgeführt und die Winkel vermessen, Korrekturen angebracht und gegebenenfalls Diagnosen durchgeführt. Welchen Einfluss die Modifikationen im Fahrzeug haben, wird immer nur theoretisch besprochen. Einzige Ausnahme sind die Fahrdynamik- Tage, die von der Vereinigung der Berufsfachschullehrer SVBA jährlich angeboten werden. Entsprechend sieht Steiner sein Angebot als Ergänzung und Erweiterung zum Bestehenden.
Durch den Einsatz des Simulators können Einstellungen an Zug- und Druckstufe der Schwingungsdämpfer, Lenkgeometriewinkel und Reifenveränderungen (Luftdruck usw.) gefahrlos und in hoher Detailtreue dynamisch am Simulator ausprobiert werden. Die Kursteilnehmenden erleben dabei die Modifikationen auf der gewählten Rennstrecke und können umgehend andere Einstellungen am simulierten Grossserienfahrzeug und damit in der Software programmieren und erneut ausprobieren.
Was auf der Rennstrecke viel Aufwand und Zeit beansprucht, lässt sich im Rennsimulator mit ein paar Mausklicks realisieren. Durch die Detailtreue und die stetige Verbesserung der Software erlaubt das System, nicht nur fahrdynamisch die Einstellungen zu fahren, sondern sind auch die haptischen Feedbacks der Lenkung detailgetreu. Entsprechend ist der Lerneffekt gross und der Spass kommt nicht zu kurz. Grenzen werden einzig bei der Anschaffung gesetzt. Wenn eine Bildungsinstitution einen Fahrsimulator anschaffen will, müssen rund 17 000 Franken investiert werden. Bei der Nutzung entstehen aber weder Reifenabrieb, Abgasemissionen noch Unfälle, die im realen Leben teuer zu stehen kommen.
Die Digitalisierung und der Einsatz von IT im Berufsfachschulunterricht und in den überbetrieblichen Kursen gehören seit der Einführung des Bildungsplans 2018 zum Alltag für Berufslernende in den AGVS-Technikberufen.
Ausblick und Ziele
Für Marco Steiner steht fest, dass die Möglichkeit für den Einsatz als Lernumgebung mehr als gegeben ist. Die Begeisterung der Berufslernenden ist riesig: Es hat sich eine Gruppe zusammengefunden, um in der Freizeit mit dem erfahrenen Motorsportler einen BMW E90 325i fahrwerkstechnisch zu modifizieren und im kommenden Kurs einzusetzen. Die Begeisterung der Berufslernenden ist gross und deckt sich mit den bisherigen Erfahrungen am bzemme: Die Talentförderung hat an der Berufsfachschule der Region Emmental/ Oberaargau Tradition und mündete in Projekten wie dem Zusammenbau eines Super Seven mit MFK-Zulassung, dem Tunen verschiedener Motoren und Messen der Leistung sowie einem Kartprojekt, bei dem benzinbetriebene Karts auf Elektroantrieb umgerüstet wurden. Die Erlebnisse und der Enthusiasmus der Projektverantwortlichen und der Berufslernenden widerspiegelt die Freude an der Automobiltechnik. Mit der Lancierung des digitalen Fahrsimulators, der nur dank Sponsoren aus der Region angeschafft werden konnte, wurde eine neue Stufe in der Talentförderung gezündet.
Kontakt und Informationen unter: marstone-simracing.ch
Wie verändern sich die Vorspur- und Sturzwerte beim Ein- und Ausfedern? Auch dieser Sachverhalt wird anhand eines Fahrzeuges vermessen und bestimmt und hilft, die komplexen Diagramme konkret zu verstehen und abzuleiten, was Fahrwerksmodifikationen bewirken. Fotos: AGVS-Medien
Gamen ist heute bei Jugendlichen eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Berufslernende aus den drei technischen Berufen im Automobilgewerbe mögen Rennsport, Tuning, schnelle Autos und spielen oft gerne Rennsimulationen. Marco Steiner, ein auf zweitem Bildungsweg gelernter Automobilfachmann, danach als Kundendienstberater tätig und jetzt Gründer und Geschäftsführer von Marstone-Simracing und Vertriebspartner von TopSpeed-Simulatoren in der Schweiz, kennt die Ausgangslage. Er zeigte schon während seiner Lehrzeit grosses Interesse an den Zusammenhängen der verschiedenen Fahrzeugsysteme, um ein Auto im motorsportlichen Wettbewerb zu optimieren. In seiner Freizeit beschäftigt sich Steiner seit über 15 Jahren mit Motorsport, insbesondere der Driftsport gehört zu seinen Leidenschaften.
Die Verknüpfung von Rennsimulation und Ausbildung lag für Steiner auf der Hand. Die pädagogische, didaktische Umsetzung und die technischen Möglichkeiten, um Simulationen auch in der beruflichen Grundbildung sinnvoll einsetzen zu können, erwirkten zu Beginn einiges an Kopfzerbrechen. Am Bildungszentrum Emme (bzemme.ch) besuchte Steiner nicht nur die Berufsfachschule, sondern fand auch einen fruchtbaren Boden, seine Idee zusammen mit Fachlehrern umzusetzen und in einem Pilotkurs zu realisieren. Zusammen mit Jonas Baumgartner und Andreas Schranz wurden Berufslernende im vierten Lehrjahr Automobilmechatroniker in einem Freifachkurs in die Welt der Rennsimulation entführt.
Die Fahrmanöver können am Simulator ohne Unfallschäden umgesetzt werden. Dass der Spass nicht zu kurz kommt, fördert die Motivation zusätzlich und ist für Bildungsstätten ein wichtiges Argument, auf digitale Lehr- und Lernmittel zu setzen.
Nicht gamen, sondern «erfahren»
Wer jetzt denkt «Aha, sogar im Berufskundeunterricht wird gegamt», irrt sich: Der Ansatz der drei Protagonisten zielte in die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Konkret das Thema Fahrwerkstechnik, Modifikationen an Federung/Dämpfung und Lenkgeometrie zu vertiefen und danach gefahrlos am Rennsimulator auszutesten und entsprechende Lernfortschritte zu erzielen, war der Grundgedanke. Steiner lieferte nebst Hardund Software seine ganze Erfahrung im Bereich Rennsport. Baumgartner und Schranz als erfahrene Fachlehrer für Automobiltechnik und Referenten in der Automobildiagnostiker- Ausbildung, Kompetenzbereich P1 Fahrwerk, entwickelten den Theorieteil sowie die Praxisübungen an Modellen und Fahrzeugen, um Fahrwerksveränderungen zuerst statisch oder halbdynamisch und danach im Simulator auszuprobieren. Die Verknüpfung der Theorie und des Werkstattunterrichts ist geglückt: Das Feedback der Berufslernenden ist einstimmig positiv und für die Initianten Motivation, aktuell wiederum einen Kurs anzubieten. Der Erfolg gibt ihnen recht: Gleich zwei Mal wird der Kurs aktuell durchgeführt, weil die Anmeldezahlen und damit das Interesse derart gross sind. In der aktuellen Durchführung sind auch Lernende von der gibb Bern und dem idm Thun dabei und damit wird ein überregionaler Kurs gestartet.
Was ist möglich, wo sind Grenzen?
Die drei- und vierjährige Grundbildung des AGVS weist Leistungsziele im Bereich Fahrwerk und Lenkgeometrie sowohl in der Berufsfachschule wie auch im überbetrieblichen Kurs auf. Die Funktionsweise von Radaufhängungen, Federungs- und Dämpfungssystemen wird theoretisch behandelt und auch der Einfluss der Lenkgeometriewinkel wird vermittelt. Im praktischen Teil werden Fahrwerksanalysen durchgeführt und die Winkel vermessen, Korrekturen angebracht und gegebenenfalls Diagnosen durchgeführt. Welchen Einfluss die Modifikationen im Fahrzeug haben, wird immer nur theoretisch besprochen. Einzige Ausnahme sind die Fahrdynamik- Tage, die von der Vereinigung der Berufsfachschullehrer SVBA jährlich angeboten werden. Entsprechend sieht Steiner sein Angebot als Ergänzung und Erweiterung zum Bestehenden.
Durch den Einsatz des Simulators können Einstellungen an Zug- und Druckstufe der Schwingungsdämpfer, Lenkgeometriewinkel und Reifenveränderungen (Luftdruck usw.) gefahrlos und in hoher Detailtreue dynamisch am Simulator ausprobiert werden. Die Kursteilnehmenden erleben dabei die Modifikationen auf der gewählten Rennstrecke und können umgehend andere Einstellungen am simulierten Grossserienfahrzeug und damit in der Software programmieren und erneut ausprobieren.
Was auf der Rennstrecke viel Aufwand und Zeit beansprucht, lässt sich im Rennsimulator mit ein paar Mausklicks realisieren. Durch die Detailtreue und die stetige Verbesserung der Software erlaubt das System, nicht nur fahrdynamisch die Einstellungen zu fahren, sondern sind auch die haptischen Feedbacks der Lenkung detailgetreu. Entsprechend ist der Lerneffekt gross und der Spass kommt nicht zu kurz. Grenzen werden einzig bei der Anschaffung gesetzt. Wenn eine Bildungsinstitution einen Fahrsimulator anschaffen will, müssen rund 17 000 Franken investiert werden. Bei der Nutzung entstehen aber weder Reifenabrieb, Abgasemissionen noch Unfälle, die im realen Leben teuer zu stehen kommen.
Die Digitalisierung und der Einsatz von IT im Berufsfachschulunterricht und in den überbetrieblichen Kursen gehören seit der Einführung des Bildungsplans 2018 zum Alltag für Berufslernende in den AGVS-Technikberufen.
Ausblick und Ziele
Für Marco Steiner steht fest, dass die Möglichkeit für den Einsatz als Lernumgebung mehr als gegeben ist. Die Begeisterung der Berufslernenden ist riesig: Es hat sich eine Gruppe zusammengefunden, um in der Freizeit mit dem erfahrenen Motorsportler einen BMW E90 325i fahrwerkstechnisch zu modifizieren und im kommenden Kurs einzusetzen. Die Begeisterung der Berufslernenden ist gross und deckt sich mit den bisherigen Erfahrungen am bzemme: Die Talentförderung hat an der Berufsfachschule der Region Emmental/ Oberaargau Tradition und mündete in Projekten wie dem Zusammenbau eines Super Seven mit MFK-Zulassung, dem Tunen verschiedener Motoren und Messen der Leistung sowie einem Kartprojekt, bei dem benzinbetriebene Karts auf Elektroantrieb umgerüstet wurden. Die Erlebnisse und der Enthusiasmus der Projektverantwortlichen und der Berufslernenden widerspiegelt die Freude an der Automobiltechnik. Mit der Lancierung des digitalen Fahrsimulators, der nur dank Sponsoren aus der Region angeschafft werden konnte, wurde eine neue Stufe in der Talentförderung gezündet.
Kontakt und Informationen unter: marstone-simracing.ch
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