«Ich bin es gewohnt, mich stark einzubringen»

Nachruf auf Dr. Martin Plüss

«Ich bin es gewohnt, mich stark einzubringen»

16. November 2021 agvs-upsa.ch – Er war 35 Jahre in verschiedenen Gremien des Schweizer Autogewerbes tätig, davon über zwei Jahrzehnte als Präsident der ESA: Mit Dr. Martin Plüss verliert das Schweizer Autogewerbe einen selbstbestimmten, erfolgreichen Unternehmer, der sich stets für das Wohl des Garagisten eingesetzt hat und dafür, dass sich dessen Position im Markt verbessert. 
 
kro. «Dr. Martin Plüss war eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, als Unternehmer wie als Mensch», sagt Markus Hutter über seinen Vorgänger als Präsident der ESA. Markus Hutter hat ihn im Jahr 2016 abgelöst. Davor präsidierte Plüss die Einkaufsorganisation des schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes 22 Jahre lang. Auf die Frage, ob ihn der Abschied wehmütig macht, sagte Plüss damals gegenüber AUTOINSIDE: «Offen gestanden erwischen Sie mich jetzt grad in einem ziemlich emotionalen Moment.» Diese Emotionalität war Ausdruck seiner tiefen Verbundenheit mit der ESA, den Mitarbeitenden und den Kunden. Unter ihm entwickelte sich die ESA enorm weiter – und trotzdem beanspruchte er diesen Erfolg nie für sich, «es war in erster Linie die Leistung aller ESA-Angestellten», hielt er fest.
Der Erfolg – weder der persönliche als erfolgreicher Geschäftsmann noch jener als Präsident der ESA – machte ihn, den strategisch denkenden Menschen, eher vorsichtig: «Ich muss warnen», sagte er, «die Konkurrenz schläft nicht und ein Vorsprung, wie wir ihn aktuell haben, ist schnell weg.» Für Plüss war deshalb wichtig, dass alle nicht nur am selben Strick ziehen, sondern auch in dieselbe Richtung. Bei der ESA hat der Präsident erheblichen Einfluss. Wenn er will. Martin Plüss wollte das. Und Markus Hutter auch. «Der Einfluss des Präsidenten hängt von seiner Persönlichkeit ab» analysierte Plüss damals. Ihm war bewusst, dass er eine starke Rolle spielte – «eine aktive», nannte er es. «Ich bin es gewohnt, mich einzubringen, wenn ich mich irgendwo engagiere». 

Nicht Arbeit, sondern «harte» Arbeit
Die ESA auf Kurs zu bringen und zu halten, war Arbeit. Hier widersprach Martin Plüss im damals geführten Gespräch: «Es war harte Arbeit. Über Jahre hinweg.» Sie habe kein Nachlassen erlaubt, stellte er im Gespräch klar. Sein Rezept auch als ESA-Präsident war langfristiges Denken, in dessen Zentrum immer der Garagist als Unternehmer stand, den es zu unterstützen galt, seine Position im Markt zu verbessern. 

Martin Plüss’ Bedeutung für das Autogewerbe hebt auch Urs Wernli hervor, während 18 Jahren Zentralpräsident des Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) und heutiger AGVS-Ehrenpräsident: «Martin Plüss hatte immer das Gedeihen der Garagisten, der ESA und seiner Genossenschafter im Fokus.» Als erfolgreicher Garagist, Präsident der ESA, Präsident der Tecar, Markenhändlerpräsident und somit exzellenter Kenner der Autobranche sei er mit den vielfältigen Herausforderungen des AGVS bestens vertraut gewesen, sagt Urs Wernli. Über all diese Jahre wuchs zwischen den beiden Exponenten des Autogewerbes eine tiefe Verbundenheit heran, die weit über das geschäftliche hinausging: «In Martin habe ich einen lieben Freund verloren, der mir immer sehr wohlwollend gesinnt war. Ich bin dankbar, dass ich Martin Plüss als Weggefährten und Kameraden im Autogewerbe zur Seite wusste. Er stand mir jederzeit mit Rat und Tat bei. » 

Martin Plüss anerkannte den hohen Stellenwert der Berufsbildung als Rückgrat des Autogewerbes und unterstützte Urs Wernli immer bei der Wahrnehmung der Interessen- und Branchenvertretung in der Politik, bei Partnerorganisationen und Behörden.

Weitsichtig, klar und unabhängig
Mit ein Faktor für den Erfolg: «Martin Plüss war ein Unternehmer, der viele Entwicklungen richtig vorausgesehen hat», konstatiert Markus Hutter rückblickend. Er sei ein unabhängiger Unternehmer gewesen, der seine Meinungen und Ansichten zum Ausdruck brachte – auch gegenüber Importeuren. «Sie dürfen das aber nicht mit einem Querschläger vergleichen», stellt Hutter klar, «Martin Plüss war einfach mutig und klar». Auch wenn es einmal nicht lief wie gewünscht, hat Martin Plüss seinen Optimismus nie verloren. «Er hat sich», sagt Hutter, «dem Negativen stets widersetzt». 

Dabei geholfen habe ihm auch sein Humor, an den sich Hutter sehr gern erinnert: «Martin Plüss hatte immer einen träfen Spruch auf Lager». Ein anderer Grundzug seines Charakters war, dass Martin Plüss ein ausserordentlich grosszügiger Mensch war. «Er gab seine Erkenntnisse, Analysen und sein Wissen immer weiter», erinnert sich Hutter und ergänzt: «Und er war ein intelligenter Mensch». 

Mit Martin Plüss, darin sind sich alle einig, die ihn kennen, verliert das Schweizer Autogewerbe eine herausragende Persönlichkeit, als Mensch wie als Unternehmer. «Eine Persönlichkeit», so formuliert es Markus Hutter, «wie man sie sehr selten trifft». Im erwähnten Interview von AUTOINSIDE wurde Martin Plüss auch darauf angesprochen, dass er es sich auch leichter hätte machen und einfach in seinem Betrieb bleiben können, statt sich zeitintensiv für die Branche zu engagieren. Plüss’ Antwort: «Das ist richtig, aber unter dem Strich haben auch ich und mein Betrieb davon profitiert. Ich hatte in dieser Zeit so viele enorm schöne Kontakte, die nicht nur mein geschäftliches, sondern auch mein privates Leben bereichert haben.» Seine Firma, sagte Plüss, «wäre heute nicht, was sie ist, wenn all das nicht gewesen wäre». 

Kurs halten und sich in die Riemen legen
Nach seinem Abschied als Präsident von der ESA wurde Martin Plüss gefragt, was er denn jetzt mit seiner Zeit zu tun gedenke – zurück ins Tagesgeschäft im eigenen Betrieb in Zuchwil? Seine Antwort damals kam wie aus der Pistole geschossen: «Wo denken Sie hin! Für unseren Betrieb mit 50 Mitarbeitenden haben wir länger schon einen Geschäftsführer eingestellt, der macht einen tollen Job. Die Zeit, die ich jetzt gewinne, nutze ich für mich selbst. Ich gehe jetzt segeln.» 

Das war eine seiner grossen Leidenschaften. Er hatte bei Genua ein Boot, das er so oft wie möglich hinaus aufs Wasser steuerte. Das passte zu seiner sportlichen Art. Martin Plüss war früher auch Ruderer, in jungen Jahren sogar Mitglied der Nationalmannschaft. Vielleicht schliesst sich hier der Kreis seiner Persönlichkeit: Beim Segeln geht es um Navigieren und darum, den Kurs zu halten und auch bei hoher See und Wellengang am Ruder zu bleiben. Und beim Rudern geht es darum, zusammen mit anderen einen Rhythmus zu finden und sich als Teil der Mannschaft kräftig und ausdauernd in die Riemen zu legen. 
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