«Es ist nicht das Autogewerbe, das zu wenig macht»

Serie Elektromobilität

«Es ist nicht das Autogewerbe, das zu wenig macht»

26. Juli agvs-upsa.ch – Die Elektromobilität nimmt in der Schweiz langsam Fahrt auf – mit Betonung auf langsam: Die Neuimmatrikulationen von Elektro-PW stagnieren derzeit. Wir fragen Garagisten nach den Gründen, der aktuellen Lage und wieso sie sich davon nicht beirren lassen. Ilir Pinto


Illustration: Shutterstock

Trotz der bestehenden Herausforderungen ist die Elektromobilität eine Chance für innovative, zukunftsorientierte Garagen. Einen Einblick in die Situation bietet Gaël Lanthemann, Geschäftsführer von Les Garages Lanthemann mit Standorten in Cortaillod NE und Champagne VD. Die Garagen des Opel- und Skoda-Partners verkaufen zu gut einem Fünftel reine E-Fahrzeuge, was grob dem schweizweiten Anteil an Neuimmatrikulationen von gegen 18 Prozent entspricht (bis Ende April 2024). 2023 waren es noch fast 21 Prozent.
 






Gaël Lanthemann, Geschäftsführer von Les Garages Lanthemann


Gaël Lanthemann berichtet von einer sehr positiven Verkaufsentwicklung in den letzten Jahren. Den Rückgang der Nachfrage dieses Frühjahr führt er auch auf Bedenken rund um die Stromversorgung zurück. Die zum Teil stark gestiegenen Strompreise sind für Steckerfahrzeuge nicht gerade verkaufsfördernd.

Gaël Lanthemann sagt, seine Kundschaft zeige sich begeistert von der Technologie und dem Fahrspass der Elektrofahrzeuge, schätze die ruhige Fahrt, bemängle jedoch zu wenig Reichweite und auch deren Nachlassen bei tiefen Wintertemperaturen. «Bessere Batterien mit einer hohen Reichweite wären ein Gamechanger», so Gaël Lanthemann. Die öffentliche Ladeinfrastruktur in der Schweiz erachtet er derzeit als ausreichend – solange die Zahl der Elektrofahrzeuge nicht weiter stark zunimmt. Der aktuelle Anteil von E-Autos am PW-Bestand beträgt knapp vier Prozent.

Les Garages Lanthemann bieten ihrer Kundschaft an einem ihrer beiden Standorte DC-Schnellladestationen an: zwei mit einer Leistung von 100 kW und eine mit 50 kW. Zudem unterstützen sie bei der Installation von Ladestationen. «Wir erstellen für unsere Kunden den Kontakt zu lokalen Elektrikern und führen kleinere Installationsberatungen durch», erklärt Gaël Lanthemann.
 






Dominique Kolly, Präsident der Nutzfahrzeugkommission des AGVS


Herausforderungen bei Elektro-Nutzfahrzeugen
Die Garage Kolly SA mit Standorten in Le Mouret FR und Aigle VD verkauft leichte und schwere Nutzfahrzeuge, zum Beispiel von Fiat, Iveco und Scania. Geschäftsführer Dominique Kolly erläutert, zwar habe sich die Auswahl an Elektrofahrzeugen insbesondere bei Nutzfahrzeugen verbessert, jedoch gebe es nach wie vor Herausforderungen. Es würden bestimmte Fahrzeugkonfigurationen und eine ausreichende Reichweite fehlen. Auch eine hinreichend schnelle Ladegeschwindigkeit sei ein kritischer Punkt, um Standzeiten zu minimieren, ebenso wie finanzielle Aspekte für KMU.

Laut Dominique Kolly, Präsident der Nutzfahrzeugkommission des AGVS, sind die Reaktionen der Kunden auf Elektrofahrzeuge gemischt. Zwar schätzten viele die Ruhe beim Fahren und den Fahrspass, doch «die Ladeinfrastruktur ist nach wie vor ein komplexer Parameter, der zu oft nicht den Bedürfnissen der Kunden entspricht. Unsere Verkaufsberater nehmen sich Zeit, um zu argumentieren und unseren Kunden umfassende Lösungen anzubieten. Und in diesem Sinne werden Ladelösungen in verschiedenen Formen angeboten, manchmal mit der Unterstützung unserer Importeure oder sogar direkt mit Anbietern von Ladegeräten», so Dominique Kolly.

Für die Zukunft erwartet er sowohl technische als auch politische Entwicklungen im Bereich E-Mobilität und Ladeinfrastruktur. Dominique Kolly fordert eine klare Position der Politik zur finanziellen Unterstützung nachhaltiger Alternativen, die nicht nur auf E-Mobilität beschränkt sein sollten.
 






Kurt Giger, Geschäftsführer der Ernst Ruckstuhl Automobile AG in Winterthur ZH

Der «Lade-Wald» muss abgeholzt werden
Einen weiteren Beitrag zur Diskussion liefert Kurt Giger, Geschäftsführer der Ernst Ruckstuhl Automobile AG in Winterthur ZH. Die Ruckstuhl-Garagen verkaufen heute zu 50 Prozent Steckerfahrzeuge, sowohl Personenwagen (u.a. Aiways, Hyundai, Opel, Suzuki und KGM) als auch leichte Nutzfahrzeuge. Kurt Giger beschreibt die aktuelle Nachfrage als schleppend. «Die Eigenheimbesitzer wurden bereits bedient, nun wird es der Mainstream. Das Problem ist: Viele können nicht zuhause laden. Hinzu kommen die unterschiedlichen Tarife.»

Trotz dieser Problematik – um die 60 Prozent der Bevölkerung leben zur Miete – ist Kurt Giger überzeugt, dass die Zukunft in Richtung Elektromobilität geht. «Es wird den Garagisten unterschwellig vorgeworfen, sie würden zu wenig für die Elektromobilität machen. Es ist nicht das Autogewerbe, das zu wenig macht – sondern es muss dem Kunden leicht gemacht werden zu laden. Und Unsicherheiten müssen beseitigt werden.»

Kurt Giger fordert, dass der Bund die Verantwortung für den schnellen Ausbau eines grossen Ladenetzes übernimmt. Diese dürfe nicht an die Kantone und Gemeinden oder an die privaten Stromanbieter übertragen werden. Und: «Man muss überall mit der Kreditkarte bezahlen können», sagt er. «Momentan gleicht die Situation mit den vielen Anbietern, Tarifen und Apps einem Wald. Dieser muss abgeholzt werden, damit Kunden ein Elektrofahrzeug wollen.»

Die Erfahrungen der Garagisten zeigen, dass der Aufbau von DC-Schnellladestationen einen Wettbewerbsvorteil bieten kann und eine proaktive Beratung und Unterstützung bei der Installation von Heimladestationen ebenfalls. Durch Aufklärung und Unterstützung bei der Auswahl von Fahrzeugen können Garagen die Bedenken der Kunden mindern. Die Entwicklung einer adäquaten Ladeinfrastruktur sowie von Batteriekapazität und Reichweite, leichteren Batterien und Brennstoffzellen bleibt jedoch ein wesentlicher Faktor für die Verkaufszahlen und damit für den Erfolg.
 
Serie Elektromobilität in der Garage (5/5)
Mit einer Artikelserie zu verschiedenen Aspekten der Ladeinfrastruktur greifen die AGVS-Medien die Thematik auf. In den letzten Ausgaben haben wir das Thema aus Sicht der Energieversorger und Dienstleister, der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Behörden beleuchtet. Hier vervollständigen wir das Bild mit der Sicht der Garagen auf das Thema.
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