Gastbeitrag von Frank A. Meyer
Das Auto, die Freiheit und der Bundesrat
20. Juni 2022 agvs-upsa.ch – Ringier-Publizist Frank A. Meyer äussert sich im «SonntagsBlick» und auf Blick.ch jeweils zu den wichtigsten Themen der Woche in der Schweiz und weltweit. Dieses Mal findet er in seiner Kolumne lobende Worte für das Auto: «Das genialste Gefährt der Gegenwart».
Foto: Istock
Frank A. Meyer. Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen im Bundeshaus, weiss, was sie weiss. Insbesondere über das Fahren von Autos: Erstens, natürlich, «ist es der falsche Anreiz, Benzin billiger zu machen»; zweitens gibt es «Leute, die das Auto wirklich brauchen»; drittens forderte sie einst einen Spritpreis von fünf Franken pro Liter und musste die betrübliche Erfahrung machen, dass dies «nicht mehrheitsfähig» ist.
Als Umweltwissenschaftlerin berät Aline Trede Organisationen in der Kampagnenarbeit. Sie lenkt und erzieht Menschen, die ansonsten unbedacht vor sich hinleben würden, zu umweltgerechtem Verhalten. Auch da hat sie eine Erfahrung gemacht: «Es ist sehr schwierig, Lenkungsabgaben im Volk durchzubringen, obwohl dieses Instrument das Mobilitätsverhalten ändern kann. Die Leute haben Angst, Lebensqualität einzubüssen.»
Wer ist das eigentlich, der sein «Mobilitätsverhalten ändern» muss, wenn der Benzinpreis steigt und steigt, wenn er gar die von Aline Trede als umweltvernünftig erachteten fünf Franken pro Liter zahlen müsste? Banal gesagt: der Autofahrer, dem das Geld zum teuren Autofahren fehlt. Sozial gesagt: der Zuwenigverdiener. Politisch gesagt: die Arbeiterklasse.
Die Umweltwissenschaftlerin Aline Trede dagegen kann, wenn sie denn die Lust dazu befällt, am Weekend auch fürderhin die unverbrauchte Umwelt dort geniessen, wo gerade keine Bahn und kein Bus hinfährt. Wie sich auch all ihre Zunft- und Akademikergenoss/-innen solch exklusive Erholung vom schweren, aber reichlich bezahlten Job als Berater, als NGO-Mitarbeiter, als Bewirtschafter einer Universitätspfründe, als Nachhaltigkeitsmanager eines Unternehmens leisten können – weil sie jeden denkbaren Benzinpreis problemlos zu berappen imstande sind.
Die Bürgerinnen und Bürger dagegen, die mit zwei Kindern in einer Wohnung mit drei Zimmern leben, haben samstags und sonntags das Nachsehen: Für sie ist der Ausflug per Bahn und Bus zeitlich zu aufwendig, mit Kindern zu kompliziert; überdies führt er nicht in die ersehnte Natureinsamkeit, sondern an die ohnehin von Menschen überfüllten Orte, wo öffentliche Verkehrsmittel die Ausflugsmassen eben hinzuschaffen pflegen.
Für sie ist es also nichts mit schnell mal den Wagen aus der Garage holen und für ein paar Stunden in die Freiheit entfliehen, allwo die grüne Elitegesellschaft das Landleben für sich entdeckt, gewissermassen für sich gepachtet hat.
Es ist, wie es ist – und wie Aline Trede sagt: «Autofahren ist kein Grundrecht.»
Ist das aber so logisch-richtig, wie es Aline Trede lakonisch-zynisch feststellt? Zu den Grundrechten zählt das Recht, sich frei zu bewegen, sich also dorthin zu begeben, wo es dem Bürger gerade gefällt – zu Fuss oder in einem Verkehrsmittel. Das Auto ist das Verkehrsmittel der Befreiung vom Alltag im Wohnblock, im Aussenquartier – den Käfigen der werktätigen Konsumgesellschaft.
Das Auto ist dem modernen Menschen gewissermassen «angewachsen»; es ist Teil von ihm geworden; «auto» ist schliesslich das griechische Wort für «selbst». Das Auto ist der um seine befreiende Mobilität erweiterte Mensch – sein erweitertes Grundrecht.
Abgesehen davon ist das Auto die tägliche Erleichterung des praktischen Lebens. Arbeiter/-innen können damit rasch die Kinder zur Schule fahren, wenn sie diese noch nicht dem Weg zum Tram oder der Fahrt im Tram anvertrauen wollen; auch ist der rasche Einkauf mit schweren Tüten und Taschen mit dem Auto leicht zu absolvieren; überhaupt ist das arbeitserfüllte Alltagsleben ohne Auto nur vorstellbar als zusätzliche Mühsal.
Was stellen sich die grünen Giftspritzer gegen das genialste Gefährt der Gegenwart ihrerseits eigentlich vor?
Es sei ihnen gegönnt, dass sie anders leben können: auch wochentags feiner und freier abgestimmt auf ihre Bedürfnisse nach Arbeit, Freizeit und Schlaf, als es den Arbeitnehmern möglich ist, die fremdbestimmt sind durch die Bedingungen ihrer Arbeit – Unfreiheit, der sie in der Freizeit gerne im Auto entfliehen.
Fünf Franken für den Liter Benzin? Aline Trede bedauert, dass dieses Vorhaben einst «nicht mehrheitsfähig» war, wohl auch weiterhin nicht mehrheitsfähig sein wird. Ja, in der direkten Demokratie verhindern derlei die Bürger/-innen – die Autofahrer.
Die Grünen würden gerne Einsitz nehmen im Bundesrat. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundeshaus weiss, woran es der Landesregierung derzeit mangelt: «Klar ist: Dem Bundesrat fehlt im Moment die Führung.»
Führung? Im Bundesrat? Wann je gab es Führung durch wen im Bundesrat? Durch Hans Schaffner oder durch Kurt Furgler, oder durch Willi Ritschard, oder durch Hans Hürlimann, oder durch Flavio Cotti, oder durch Adolf Ogi? Das Siebnergremium ist ein Kollegium – einzigartig in der demokratischen Welt: angelegt auf Entscheidung durch Konsens, also auf Vermeidung von Führung durch einen Einzelnen, also auf die demokratische Unterordnung sogar des alljährlich neu zu wählenden Bundespräsidenten, der das Kollegium lediglich durch die Sitzungen führt sowie als protokollarischer Repräsentant der Schweizerischen Eidgenossenschaft amtiert – und nach kurzen zwölf Monaten abgesetzt wird, bevor ihm der Auftritt als Gleichster unter Gleichen zu Kopfe steigen könnte.
Ja so ists: Freiheit und Demokratie wollen gelernt sein – vom Auto bis zum Bundesrat.
Foto: Istock
Frank A. Meyer. Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen im Bundeshaus, weiss, was sie weiss. Insbesondere über das Fahren von Autos: Erstens, natürlich, «ist es der falsche Anreiz, Benzin billiger zu machen»; zweitens gibt es «Leute, die das Auto wirklich brauchen»; drittens forderte sie einst einen Spritpreis von fünf Franken pro Liter und musste die betrübliche Erfahrung machen, dass dies «nicht mehrheitsfähig» ist.
Als Umweltwissenschaftlerin berät Aline Trede Organisationen in der Kampagnenarbeit. Sie lenkt und erzieht Menschen, die ansonsten unbedacht vor sich hinleben würden, zu umweltgerechtem Verhalten. Auch da hat sie eine Erfahrung gemacht: «Es ist sehr schwierig, Lenkungsabgaben im Volk durchzubringen, obwohl dieses Instrument das Mobilitätsverhalten ändern kann. Die Leute haben Angst, Lebensqualität einzubüssen.»
Wer ist das eigentlich, der sein «Mobilitätsverhalten ändern» muss, wenn der Benzinpreis steigt und steigt, wenn er gar die von Aline Trede als umweltvernünftig erachteten fünf Franken pro Liter zahlen müsste? Banal gesagt: der Autofahrer, dem das Geld zum teuren Autofahren fehlt. Sozial gesagt: der Zuwenigverdiener. Politisch gesagt: die Arbeiterklasse.
Die Umweltwissenschaftlerin Aline Trede dagegen kann, wenn sie denn die Lust dazu befällt, am Weekend auch fürderhin die unverbrauchte Umwelt dort geniessen, wo gerade keine Bahn und kein Bus hinfährt. Wie sich auch all ihre Zunft- und Akademikergenoss/-innen solch exklusive Erholung vom schweren, aber reichlich bezahlten Job als Berater, als NGO-Mitarbeiter, als Bewirtschafter einer Universitätspfründe, als Nachhaltigkeitsmanager eines Unternehmens leisten können – weil sie jeden denkbaren Benzinpreis problemlos zu berappen imstande sind.
Die Bürgerinnen und Bürger dagegen, die mit zwei Kindern in einer Wohnung mit drei Zimmern leben, haben samstags und sonntags das Nachsehen: Für sie ist der Ausflug per Bahn und Bus zeitlich zu aufwendig, mit Kindern zu kompliziert; überdies führt er nicht in die ersehnte Natureinsamkeit, sondern an die ohnehin von Menschen überfüllten Orte, wo öffentliche Verkehrsmittel die Ausflugsmassen eben hinzuschaffen pflegen.
Für sie ist es also nichts mit schnell mal den Wagen aus der Garage holen und für ein paar Stunden in die Freiheit entfliehen, allwo die grüne Elitegesellschaft das Landleben für sich entdeckt, gewissermassen für sich gepachtet hat.
Es ist, wie es ist – und wie Aline Trede sagt: «Autofahren ist kein Grundrecht.»
Ist das aber so logisch-richtig, wie es Aline Trede lakonisch-zynisch feststellt? Zu den Grundrechten zählt das Recht, sich frei zu bewegen, sich also dorthin zu begeben, wo es dem Bürger gerade gefällt – zu Fuss oder in einem Verkehrsmittel. Das Auto ist das Verkehrsmittel der Befreiung vom Alltag im Wohnblock, im Aussenquartier – den Käfigen der werktätigen Konsumgesellschaft.
Das Auto ist dem modernen Menschen gewissermassen «angewachsen»; es ist Teil von ihm geworden; «auto» ist schliesslich das griechische Wort für «selbst». Das Auto ist der um seine befreiende Mobilität erweiterte Mensch – sein erweitertes Grundrecht.
Abgesehen davon ist das Auto die tägliche Erleichterung des praktischen Lebens. Arbeiter/-innen können damit rasch die Kinder zur Schule fahren, wenn sie diese noch nicht dem Weg zum Tram oder der Fahrt im Tram anvertrauen wollen; auch ist der rasche Einkauf mit schweren Tüten und Taschen mit dem Auto leicht zu absolvieren; überhaupt ist das arbeitserfüllte Alltagsleben ohne Auto nur vorstellbar als zusätzliche Mühsal.
Was stellen sich die grünen Giftspritzer gegen das genialste Gefährt der Gegenwart ihrerseits eigentlich vor?
Es sei ihnen gegönnt, dass sie anders leben können: auch wochentags feiner und freier abgestimmt auf ihre Bedürfnisse nach Arbeit, Freizeit und Schlaf, als es den Arbeitnehmern möglich ist, die fremdbestimmt sind durch die Bedingungen ihrer Arbeit – Unfreiheit, der sie in der Freizeit gerne im Auto entfliehen.
Fünf Franken für den Liter Benzin? Aline Trede bedauert, dass dieses Vorhaben einst «nicht mehrheitsfähig» war, wohl auch weiterhin nicht mehrheitsfähig sein wird. Ja, in der direkten Demokratie verhindern derlei die Bürger/-innen – die Autofahrer.
Die Grünen würden gerne Einsitz nehmen im Bundesrat. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundeshaus weiss, woran es der Landesregierung derzeit mangelt: «Klar ist: Dem Bundesrat fehlt im Moment die Führung.»
Führung? Im Bundesrat? Wann je gab es Führung durch wen im Bundesrat? Durch Hans Schaffner oder durch Kurt Furgler, oder durch Willi Ritschard, oder durch Hans Hürlimann, oder durch Flavio Cotti, oder durch Adolf Ogi? Das Siebnergremium ist ein Kollegium – einzigartig in der demokratischen Welt: angelegt auf Entscheidung durch Konsens, also auf Vermeidung von Führung durch einen Einzelnen, also auf die demokratische Unterordnung sogar des alljährlich neu zu wählenden Bundespräsidenten, der das Kollegium lediglich durch die Sitzungen führt sowie als protokollarischer Repräsentant der Schweizerischen Eidgenossenschaft amtiert – und nach kurzen zwölf Monaten abgesetzt wird, bevor ihm der Auftritt als Gleichster unter Gleichen zu Kopfe steigen könnte.
Ja so ists: Freiheit und Demokratie wollen gelernt sein – vom Auto bis zum Bundesrat.
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