Handarbeit ist hier noch Ehrensache

Werksbesuch bei KW Automotive

Handarbeit ist hier noch Ehrensache

7. Mai 2020 agvs-upsa.ch – Für 37 Millionen Franken hat der Fahrwerkhersteller KW Automotive sein Stammwerk im malerischen Fichtenberg (D) erweitert. Doch was steckt hinter den gelb-lilafarbenen Gewindefahrwerken und Rennsportdämpfern, die vor allem bei Motorsportfans und Sportfahrern so begehrt sind?
 
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Mitten in der idyllischen Naturkulisse des Schwäbisch-Fränkischen Waldes liegt das Stammwerk von KW Automotive in Fichtenberg (D).

jas. Seit mehr als 20 Minuten cruise ich durch die idyllische Landschaft an Dörfern und Weilern vorbei. Langsam überkommen mich Zweifel, ob das Navigationsgerät funktioniert, aber gemäss Technik soll die Heimat des Fahrwerkherstellers KW Automotive wirklich bald vor mir auftauchen. Und tatsächlich, kurz danach sehe ich links vom Fluss das beschauliche Dorf Fichtenberg und rechts erkenne ich den grossen Neubau. Was sofort auffällt: Nicht nur die Fahrwerkkomponenten sind bei KW in gelb und lila gehalten, sondern bei den älteren Gebäuden des schwäbischen Fahrwerkerstellers für den Aftermarket, Motorsport und teilweise der Erstausrüstung auch die Fenster- und Türrahmen.

Gegründet hatte das Unternehmen 1995 Klaus Wohlfarth, weil er mit der Qualität der am Markt befindlichen Produkte unzufrieden war. Der Schwabe entwickelte zusammen mit seinem Bruder Jürgen und einem Freund eine Lösung eines höhenverstellbaren Fahrwerks. Von den Anfängen mit lediglich neun Produkten im Angebot ist KW Automotive mittlerweile zu einem weltweit operierenden Hersteller mit über 300 Mitarbeitern allein in Fichtenberg, fünf weiteren Standorten und über 260’000 Produkten im Portfolio aufgestiegen. Von anfangs 20 Fahrwerks- und Motorsport-Enthusiasten ist der Kundenstamm gleichzeitig auf über 150'000 angewachsen.

Dringt man tiefer ins Geflecht der Produktionshallen ein, stösst man auch auf die Hochregal-Lager und die sind – natürlich – mit violetten Stahlträgern und Regalen sowie gelben Tablare logischerweise auch in den KW-Farben gehalten. Diese kamen übrigens durch reinen Zufall zu Stande. Denn die gegen Rost behandelten Eloxalteile trafen statt des bestellten Blautons in Lila bei Klaus Wohlfarth ein. Dazu passten die roten Federn nicht. Sie wurden daher kurzerhand gelb lackiert und schon war die inzwischen weltweit eingetragene Farbmarke von KW geschaffen, die einen hohen Wiedererkennungseffekt und klare Differenzierung von anderen Herstellern erlaubt.

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Trotz modernster Technik ist bei KW Automotive in Fichtenberg (D) noch vieles Handarbeit.

Angeliefert werden die ganzen Teile in der schwäbischen Idylle übrigens als simple Alu-Profile oder Stahl- und Edelstahlrohr. Aus dem Alu werden dann Federteller für den Rennsport oder Stützlagerplatten hergestellt und aus den Rohren die passenden Stücke fürs Gehäuse gesägt, geschnitten und gefräst. «Anhand der Gewindelänge, der Bohrungen und des Rohmaterials lässt sich bei genauerem Hinsehen oft erkennen, um welches Fahrwerk es sich handelt», erläutert mir Christian Schmidt, während wir zu den grossen CNC-Maschinen schreiten. Hier erhalten die Rohre innen wie aussen ihre Gewinde. In einem nächsten Arbeitsschritt werden an die fertig gedrehten Rohre von Hand, nur mittels individueller Schweissvorrichtung, die einzelnen Anbauteile wie Bremsleitungs-, ABS- oder Stabilisatorenhalter angeschweisst. Und spätestens jetzt wird mir auch der Begriff Fahrwerk-Manufaktur endgültig klar, denn in Fichtenberg ist trotz modernsten Hightech-Maschinen Handarbeit noch Trumpf. «Wir fertigen bei uns nach der sogenannten ‹Build-to-Order-Philosophie›, also erst nach Bestelleingang, rund 300 Fahrwerke am Tag.» Weiter geht es auf dem stetig wachsenden KW-Gelände in Fichtenberg zur nächsten Produktionsstation. Um der steigenden Nachfrage nach Gewindefahrwerken und Dämpfertechnologien gerecht zu werden, hat die KW Automotive Gruppe satte 37 Millionen Franken in Bau- und Erweiterungsmassnahmen investiert. Moderne Fünf-Achs-Bearbeitungszentren, weitere CNC-Drehmaschinen und ein neuer Blechbearbeitungsbereich mit Laserschneid- und Laserschweissanlagen sowie Abkantmaschinen sind dazugekommen. Und die Büroarbeitsplätze und die Entwicklungswerkstatt sind in ein neuentstandenes Verwaltungsgebäude samt Kantine umgezogen – beeindruckend.

Christian Schmidt bringt mich zum Wareneingangslager, wo beispielsweise die Federn, die nicht selbst gefertigt werden, oder auch KW-Teile, die extern noch weiterbearbeitet werden mussten, auf allfällige Mängel geprüft werden, ehe sie für die Weiterverarbeitung freigegeben werden. «Passt alles, kommen sie in den ‹Bahnhof› und werden von hier auf den zugewiesenen Lagerplatz verfrachtet. Erst wenn jemand ein Fahrwerk bestellt, fangen wir auch an, die Teile zu konfektionieren. Alle Teile mit Ausnahme der Stossdämpfer werden so für die Montage zusammengetragen», erläutert der Pressereferent.

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Bei Fragen zu einzelnen Komponenten oder beim Einbau helfen die KW-Experten den Garagisten gerne weiter.

Bei jedem Gewinde- oder ST-Fahrwerk startet die Produktion danach in der Dämpfermontage mit den Stossdämpfern. Kolben- sowie Einstellstange, Aussen- und Innenrohr werden hier mit den unterschiedlichen Rebound-Hülsen, per Hand angefertigten leistungseinstellbaren Dämpferventilen zu einem Schwingungsdämpfer zusammengeschraubt. Weiter geht es zur nächsten Station, wo die unterschiedlichen Bodenventile, die vor allem ab einem Gewindefahrwerk Variante 2 immer komplexer werden, angebracht werden. Und dann in die Endmontage: Hier wird noch das nötige Öl in den Dämpfer sowie Gas abgefüllt, ehe dieser in vier verschiedenen Dämpfergeschwindigkeiten getestet wird. «Wir fertigen je nach Anwendung die Dämpfer nach dem Einrohr- oder Zweirohrdämpfer-Prinzip. Bei unseren neuen vierfach-einstellbaren Variante 5 oder den vierfach- und fünffachleistungseinstellbaren Rennsportdämpfern sind die Schwingungsdämpfer mit Verdrängerkolben aufgebaut. Jeder einzelne Dämpfer wird getestet und erst nach bestandener Prüfung geht es zur Federbeinmontage», erläutert Schmidt. Dort werden die einzelnen Federteller, aber auch die typischen gelben Federn montiert.

Die fertigen Fahrwerksteile müssen jetzt nur noch für den Versand in über 80 Länder dieser Welt abgepackt werden. Rund 400 Pakte mit einfachen Gewindefahrwerken bis hin zu komplexeren DDC-Gewindefahrwerken mit elektronischer Dämpferregelung verlassen täglich das Stammwerk im malerischen Fichtenberg. Ziel der KW Automotive GmbH ist es, in wenigen Arbeitstagen nach Bestelleingang das fertige Fahrwerk loszuschicken. Die Pakete landen dann bei Geschäftsführer Peter Banz und seinem Team von der Werksniederlassung KW Automotive (Schweiz) AG in Rotkreuz ZG und von dort geht’s so rasch als möglich zu den Kundinnen und Kunden im ganzen Land. kwsuspensions.ch

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Bei den zweittägigen Schulungen erhalten die Garagisten einen tieferen Einblick in die Dämpfer- und Fahrwerkstechnik sowie der Charakteristika.

 
Fahrwerkschulung mit und für Profis
KW Automotive (Schweiz) AG ist darauf bedacht, dass seine Fahrwerksexperten stets am Puls der Zeit bleiben und Informationen zu neusten Entwicklungen bei Fahrwerkslösungen auch aus erster Hand bekommen. Daher bietet Geschäftsführer Peter Banz Weiterbildungskurse in Fichtenberg für interessierte Garagisten an. Neben einer Werksführung und intensiver Schulung in den Bereichen Fahrwerk, Fahrdynamik und Achsvermessung wird dabei auch das fahrdynamische Fachwissen der KW-Fachhandelspartner aufgefrischt. Der 54-jährige Rennprofi Wolfgang Weber vermittelt dabei mit seiner enormen Erfahrung aus dem Rennsport den Kursteilnehmern ein besseres Gefühl und Verständnis für die unabhängig in der Druck- und Zugstufe abstimmbaren KW-Gewindefahrwerke. Er erklärt den Kursteilnehmern auch ohne Slalomübungen, Ausweich- und Bremsmanöver, was im Alltag von den KW-Fahrwerkslösungen alles abverlangt werden kann.

Auch die Schweizer Teilnehmer durften so Details zu unterschiedlichen Dämpfercharakteristika besser kennenlernen und waren beeindruckt. Luca Brigante, Geschäftsführer der LB Cars GmbH aus Lyss, erklärte: «Ich arbeite schon lange mit KW-Produkten und ich kann diesen Kurs nur jedem weiterempfehlen. Ich war äusserst angetan von der Top-Organisation, aber auch von der ausgezeichneten Produkteschulung vor Ort. Es zeigte mir auch, wie intensiv die Leute von KW an ihren Produkten arbeiten und gewillt sind, weitere Entwicklungsschritte zu machen.»

Dieses positive Fazit nach den zwei Tagen im schwäbischen Fichtenberg bestätigte Serkan Yildiz, CEO und Gründer der Sky Motorsport GmbH in Egerkingen: «Ich fahre und vertreibe seit Jahren KW-Fahrwerke. Daher kenne ich viele der Produkte. Im Kurs habe ich trotzdem viele, weitere Informationen über Einstell- und Optimierungsmöglichkeiten erhalten. Wolfgang Weber konnte uns einen vertieften Einblick in die Produkte vermitteln, so dass ich auch bei kniffligeren Fragen von Kunden jetzt weitere Details erläutern kann. Für mich waren die beiden Tage eine klare Know-how-Erweiterung.»
 
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